Der Bachmannpreis 2015: Mediale Aufregung um Ronja von Rönne
Ab dem 2. Juli wird in Klagenfurt wieder gelesen und diskutiert. 14 Autorinnen und Autoren kämpfen um die renommierten Preise des Literatur-Wettbewerbs. Nun wurden vor wenigen Tagen die Beiträger bekanntgegeben, die einen Text vortragen dürfen. Doris Brockmann hat im Literaturcafé die eingeladenen Autorinnen und Autoren statistisch geordnet. So liegt das Durchschnittsalter ein wenig niedriger als im letzten Jahr, aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stammen die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, verhältnismäßig viele Etablierte seien unter den Eingeladenen. Vor allem aber hebt Brockmann hervor, dass in diesem Jahr zehn Frauen lesen dürfen und vier Männer – scherzhaft fragt Brockmann, wann eine Männerquote gefordert werde.
Doch als bekannt wurde, dass Ronja von Rönne zu den Eingeladenen zählt, löste dies eine Medienwelle aus. Von Rönne hatte im April einen Artikel für die WELT geschrieben, in dem sie darlegte, dass der sogenannte neue Feminismus sie ekele und sie keine Feministin sein wolle. Dieser Artikel hatte in kurzer Zeit für eine enorme Resonanz gesorgt und von Rönne auf einen Schlag bekannt gemacht. Beifall gab es für den Text allerdings auch vom rechten Rand. Hieran erinnert die ARD-Redakteurin Anna-Mareike Krause, die einen Tweet absetzte, in dem sie bekanntgibt, Ronja von Rönne werde von der Jury des Bachmannpreises und vom – eindeutig rechten – Ring Nationaler Frauen empfohlen.
Die Empörungskette vollzieht Don Alphonso auf seinem FAZ-Blog nach. Er wirft Anna-Mareike Krause vor, dass sie mutwillig einen „Shitstorm“ losgetreten habe, obwohl von Rönne nichts getan habe – sie wurde für einen Literaturwettbewerb ausgewählt. Don Alphonso versucht außerdem zu zeigen, dass von Rönne nicht dafür verantwortlich sei, dass sie vom rechten Rand gelobt werde. Das mache ihre Ansicht nicht zu einer rechtsradikalen Meinung – aber sie werde dazu abgestempelt. Offenbar würde hier – und in ähnlichen Fällen – der Versuch unternommen, die Reaktionen im Netz dem initialen Text unterzuschieben.
Auf diesen Artikel hat Patrick Gensing, ein Kollege Krauses bei der Tagesschau, auf seinem Blog reagiert. Gensing wirft wiederum Don Alphonso vor, er konstruiere einen Fall, den es so nicht gebe und verdrehe die Fakten zu seinen Gunsten. So sei beispielsweise eindeutig erkennbar, dass es sich um einen privaten Twitter-Account handele, mit dem Krause sich zu Wort meldete, was Don Alphonso bestreitet. Außerdem sei die Schnittmenge möglicherweise doch nicht so zufällig, sondern gerade bezeichnend: Wenn eine NPD-Organisation und auch andere dem rechten Rand nahestehende Personen sich wohlwollend über Ronja von Rönne äußerten, könnte das eben darauf hindeuten, dass hier ein radikaler Antifeminismus am Werk sei.
Annette Baumkreuz, die den gesamten Diskussionshergang ausführlich beschreibt, wundert sich vor allem über die Diskussionskultur. Denn hier schreiben nicht anonyme, unbekannte Blogger, sondern Journalistinnen und Journalisten von prominenten Medienhäusern. Und es wird unterstellt, zugespitzt, verkürzt.
Mittlerweile hat von Rönne ihren eigenen Blog geschlossen, sie reagiert nur noch per Twitter. Josef Bordat veröffentlicht in seinem Blog deshalb einen offenen Brief an von Rönne, denn ihm gehe das ganze Geschehen nahe. Er nennt den Kampf, der nun ausgetragen werde, eine „virtuelle Säuberung“. Es gehe eben nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, um Differenzierungen und Argumente, sondern ganz schlicht darum, dasjenige zu bekämpfen, was nicht zur eigenen Ansicht passe. Das sei eine brachiale symbolische Gewalt, die sich in diesem Fall äußere.
Von der anderen Seite aus wird diese symbolische Gewalt auf A++Ranting beschrieben. Von Rönne sei in einer privilegierten Situation und vertrete eben keine Außenseitermeinung, die nun niedergemacht werde. Im Gegenteil, hier werde der Pseudo-Tabubruch geübt, ähnlich wie Thilo Sarrazin es vorgemacht habe. Neu sei hier lediglich, dass kein in die Jahre gekommener Mann gegen den Feminismus wettere und so tue, als dürfte man darüber eigentlich nicht mehr sprechen, sondern eine junge, schöne Frau.
Auf dem Blog Aisthesis schreibt Bersarin ebenfalls über den Hergang der Empörung und trennt die Feminismus-Kritik auf der einen Seite von der Denunziation auf der anderen Seite. Auch wenn man von Rönnes Ansichten in keiner Weise teile, so Bersarin, sei es eine Unverschämtheit, sie auf diese indirekte Weise in eine rechte Ecke zu stellen, indem sie mit der NPD in Verbindung gebracht werde. Bersarin bringt schließlich die Debatte zurück zur Literatur, denn hier liege doch das zentrale Missverständnis: Der literarische Text, den von Rönne lesen wird, hat zunächst nichts mit ihren journalistischen Texten zu tun. Es sei wichtig, die Gattungen auseinanderzuhalten und eben nicht die Feminismus-Debatte auf diese Weise in die Diskussion über die Literatur hineinzutragen. Das sei ein grobes Missverständnis.
Auf die Lesungen und die Diskussionen des Bachmannpreises kann man jedenfalls gespannt sein.